Das neue Kaufrecht.
Constanze Elter im Gespräch mit Rechtsanwalt Thomas Lange, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Modeverbandes GermanFashion.
Herr Lange Sie haben sich mit dem neuen Kaufrecht befasst. Warum war eine Reform notwendig?
Zunächst betrifft das neue Kaufrecht nicht nur Deutschland, sondern alle europäischen Länder, da es sich um die Umsetzung der europäischen Richtlinie (EU) 2019/771 handelt. Notwendig ist die Änderung geworden, da erstmalig ein eigenes Gewährleistungsregime für Digitalprodukte – also CD und DVD eingeführt wurde, das es bisher noch gar nicht gab. Außerdem wurden generell die Verbraucherrechte gestärkt.
Das heißt für den Verbraucher jetzt was?
Die wichtigste Änderung ist die Neuregelung des Mangelbegriffs. Das sieht nun folgendermaßen aus: Selbst wenn ein Käufer den Mangel im Moment des Kaufes an einem Produkt kennt und quasi akzeptiert, wird am Ende die Frage gestellt, ob das Produkt der Üblichkeit, die ein durchschnittlicher Verbraucher erwarten kann, entspricht.
An einem Beispiel wird das klarer: Der Verbraucher kauft eine nagelneue Lederjacke einer aktuellen Kollektion, die jedoch sichtbare Verfärbungen an der Vorderseite der Jacke aufweist. Er einigt sich mit dem Verkäufer – in Kenntnis dieses Mangels – auf den Kauf dieser Jacke. Die Kenntnis „des Mangels“ lässt jedoch nunmehr nicht die Gewährleistungsansprüche wegfallen. Die subjektiven Anforderungen an die Mangelfreiheit sind zwar gegeben – er kauft die Jacke ja trotzdem. Zusätzlich müssen aber die objektiven Anforderungen an die Mangelfreiheit gegeben sein. Diese werden durch den sogenannten „durchschnittlichen allgemeinen“ Käufer definiert, der bei einer neuen Kollektion eine einwandfreie Jacke erwarten darf.
Für den Verbraucher ist das ja gewissermaßen eine win-win-win-Situation…
In der Tat. Es ist fast ein wenig schizophren, dass ich als Verbraucher die Jacke mit der Verfärbung heute kaufe, aber mich morgen gegenüber dem Händler auf meine Gewährleistungsrechte berufen kann: also eine Kaufpreisminderung fordern, Nachbesserung oder Rücktritt vom Vertrag. Übrigens hat sich in Sachen Forderung einer Nachbesserung ebenfalls eine Änderung ergeben: Früher durfte der Verkäufer zweimal nachbessern, jetzt muss der Verbraucher nur noch einen Versuch der Nachbesserung akzeptieren.
Gibt es noch weitere Punkte, die nun kundenfreundlicher geregelt wurden?
Für den Verbraucher gilt jetzt eine zeitliche Verdoppelung der Beweislastumkehr von sechs Monaten auf ein Jahr. Hier wieder ein Beispiel. Nehmen wir an, ich kaufe mir heute ein Businesshemd. Nach sieben Monaten intensiven Trainings im Fitnessstudio mit eben diesem Businesshemd sind die Nähte in Mitleidenschaft gezogen. In diesem Fall läge die Schuld der Mangelhaftigkeit des Produkts ja eigentlich bei mir. Schließlich habe ich nicht im T-Shirt, sondern im Businesshemd trainiert und dieses damit zweckentfremdet.
Der Verbraucher könnte nun aber in den ersten zwölf Monaten – statt früher sechs Monaten – nach Kauf die Vermutung äußern, dass keine ausreichende Qualität zum Zeitpunkt des Kaufes vorlag. Jetzt müsste der Händler beweisen, dass es nicht an der mangelnden Qualität, sondern wie im Beispiel an der nicht adäquaten Nutzung lag. Dies ist natürlich schwierig. Der Händler könnte zwar ein Gutachten einholen, doch auch da ist der Erfolg eher gering und steht in keinem Verhältnis zu den entstehenden Kosten. Für den Verbraucher sind diese zwölf Monate Beweiserleichterung ein riesiger Vorteil.
Ein weiterer Vorteil ist, dass die Gewährleistungsfrist quasi verlängert wird. Der Verbraucher hat nach Ablauf der zwei Jahre jetzt weitere vier Monate Zeit, sich auf die gesetzliche Gewährleistung zu berufen, ab Kenntnis des Mangels innerhalb der zwei Jahre. Das bedeutet in der Praxis faktisch, dass er nach zwei Jahren und vier Monaten erstmalig sagen, dass er sich auf die gesetzliche Gewährleistung beruft und die Aussage eines Zeugen hinzuziehen, der bestätigt, dass der Mangel bereits vor Ablauf der zwei Jahre vorlag.
Viele Menschen kaufen seit der Corona-Pandemie noch mehr online ein. Werden im neuen Kaufrecht Unterschiede zwischen Online- und stationärem Handel getroffen?
Bisher war der Unterschied das Widerrufsrecht, welches online innerhalb von 14 Tagen gegeben war und eine Auflösung des Kaufvertrags zur Folge hatte. Das neue Kaufrecht macht dort nun keinen Unterschied mehr.
Hört sich zwar nach einigen Vorteilen, aber auch nach viel Komplexität an. Haben Sie einen Tipp für Käuferinnen und Käufer?
Durch die vielen Verlängerungen der Fristen ist es in jedem Fall wichtig, schnell zu einer Lösung zwischen Verkäufer und Käufer zu kommen. Daher rate ich Verbrauchern ganz einfach dazu, die Beweise ihrer Käufe zu dokumentieren, sprich Kassenbon oder Kaufvertrag aufzubewahren.